N.N. (Hirschfeld 14, Bloch 1)

Wann erwähnt: 1908, 1910

Namen(n): M: nicht genannt / W:

Lebensdaten: 1873 (ca.) geboren

Beruf: Journalist

Ort(e): USA

Fallbeschreibung

Originaltext Hirschfeld (Wortlaut identisch zu Bloch)

Fall XIV.

Ein amerikanischer Journalist, 33 Jahre alt, schreibt: Von Frühester Jugend her hatte ich einen Drang, in weiblicher Kleidung zu erscheinen, und wenn immer sich eine Gelegenheit bot, schaffte ich mir elegante Wäschestücke, seidene Unterröcke und was immer in der Mode war, an. Schon als Knabe entwendete ich meiner Schwester Kleidungsstücke und trug sie heimlich, bis ich später, als meine Mutter starb, in die Lage kam, meinen Wünschen vollen Lauf zu lassen und so kam ich bald in den Besitz einer Garderobe, die der der elegantesten Modedame gleichkam. Obwohl tagsüber gezwungen, als Mann zu erscheinen, trage ich doch unter dieser Kleidung vollständige Damenunterwäsche, Korsett, durchbrochene Strümpfe und was sonst noch einer Frau zukommt, selbst ein Armband und Frauenlackstiefeletten mit zierlichen hohen Hacken. Wenn es Abend wird, atme ich erleichtert auf, denn dann fällt die lästige Maske und ich fühle mich ganz Weib. Eingehüllt in ein Tea Gown (Hauskleid) Von eleganter Ausstattung und rauschenden Seidenunterröcken bin ich befähigt, erst recht meinen Liebhabereien, darunter die Erforschung der Prähistorie, einem ernsten Studium oder mit Routine Geschäften nachzugehen. Ein Gefühl der Ruhe umfängt mich, das mir bei Tag in männlicher Kleidung unmöglich ist. Obwohl völlig ein Weib, empfinde ich doch nicht das Bedürfnis, mich einem Manne hinzugeben. Wohl schmeichelt es mir, wenn ich in Frauenkleidung Gefallen errege, aber irgend welche Wünsche meinem eigenen Geschlecht gegenüber hege ich nicht. Im Gegenteil. Trotz meiner ausgesprochenen weibischen Gewohnheiten, heiratete ich eine Dame und bin Vater eines kräftigen, schönen Mädchens, welches keine den meinen im entferntesten ähnliche Neigungen hegt. Meine Frau, eine energische, gebildete Dame, wusste genau von meiner Leidenschaft, glaubte aber im Laufe der Zeit mich davon abzubringen, was aber nicht gelang, sondern ich gab mich zwar meinen ehelichen Pflichten, noch mehr aber meinen Gewohnheiten hin. Einer angebotenen Scheidung wich meine Frau aus und ist jetzt, soweit es ihr möglich ist, einverstanden und gegenwärtig, wo ich diese Zeilen schreibe, schwanger. Mein Habitus ist durchaus männlich, mit Ausnahme des Beckens und der Waden, die weibische Formen aufweisen. Resümee: Aeussere Erscheinung männlich, wenn in Frauenkleidern vollständig die entsprechende Figur, Taille 20 Zoll, Brust 34 Zoll, Figur hoch 1 /6 cm, Gewicht 125 Pfund, Hände lang und schmal, Gefühl Weib. Wenn in Männerkleidung ein gewisses Unbehagen. Wenn ich eine elegante Frau oder Schauspielerin sehe, denke ich, wie ich wohl in deren Kleidung aussehen würde. Ohrringe, Perlen, Kollier und ähnlichen Schmuck habe ich in Fülle und auf Bällen schwelge ich in dem Gedanken, mich in Frauenkleidern zeigen zu dürfen. Wenn möglich, werde ich männliche Kleidung vollständig ablegen.“

Quellen

  • Iwan Bloch: Sexualleben unserer Zeit, 4. Aufl. 1908, Fall 1, S. 597f
  • Magnus Hirschfeld: Die Transvestiten, 1910, Fall 14, S. 115f (identischer Wortlaut wie bei Bloch)