Peter Pohl: Nennen wir ihn Anna, 1991.

Ein schwedisches Sommerferienlager in den späten 50er Jahren. Mobbing unter Jugendlichen – ein schmächtiger Junge wird „Anna“ getauft und angegriffen.

Peter Pohl: Nennen wir ihn Anna, 1991.

Daten zum Buch

Autor: Peter Pohl. Titel: Nennen wir ihn Anna. Verlag: Maier, Ravensburg. Erscheinungsjahr: 1991. ISBN: 3-473-35116-4. Bindung: Hardcover, 352 Seiten. Ehemaliger Preis: k.A.

Beschreibung

Klappentext

„Anders Roos“, sagst du.

Du hältst den Koffer immer noch in der Hand, siehst aber plötzlich ein, daß das unnötig ist. Du läßt ihn fallen, gehst zur Kommode und zerrst an deiner Schublade. Die Schublade gehört zur unwilligen Sorte, und die Kommode, in die sie eingefügt ist, gehört zur Familie der Wackligen. Jetzt scheint die Kommode zusammenbrechen zu wollen, weil du an der Schublade zerrst.

„Rose können wir ihn nicht nennen“, bemerkt Mause. „So heißt schon einer im Sechser.“

„Andy?“ murmelt einer der beiden, die sich auf dem Unterbett rechts von dir balgen. Der andere summt: „Ich schenk dir eine rote Rooose …“ Beide kichern.

„Anne wäre doch ein guter Name für ihn, finde ich!“, sagt Tuvan träge.

„Na klar!“ ruft Mause. „Er sieht ja aus wie ein Mädchen.“

Plötzlich gibt die Schublade unerwartet nach und schießt krachend aus ihrem Loch.

„Starker Typ!“ sagt eine Stimme aus dem unteren Bett neben dem Fenster. Du siehst zwei Füße, aber das Gesicht, das zur Stimme gehört, versteckt sich im Schatten des Vorhangs.

„Okay, nennen wir ihn Anna“, bestimmt Tuvan. „Was sagst du dazu, Anna?“

„Einsame Spitze, sagt er“, berichtet Mause.

In Wirklichkeit sagst du nichts. Du versuchts, die Schublade reinzuschieben.

Ein Spitzname, nicht sehr geistreich, aber noch harmlos – so was kommt vor in einer Gesellschaft, wie sie das Sommercamp ist. Doch der Name ist nur der Anfang, und je länger die Ferien dauern, desto mehr nimmt Anders Roos‘ Geschichte eine bedrohliche Wendung.

Kommentar

„Nennen wir ihn Anna“ (Ravensburger Buchverlag, 1986 erstmals erschienen, 352 Seiten, für kleines Geld antiquarisch erhältlich) ist ein schwedisches Jugendbuch von Peter Pohl. Mir fiel der Titel beim Stöbern im Berliner Buchladen „Prinz Eisenherz“ auf (der lohnt sich übrigens für trans* Bücher). Ort des Geschehens ist ein schwedisches Sommerferienlager in den späten 50er Jahren. Lauter pubertierende Jungs verbringen den Sommer gemeinsam in einer Ferienanlage, die großen Schüler übernehmen dabei die Gruppen- und Lagerleitung. Als Anders, ein schmächtiger Junge noch vor dem Beginn der pubertären körperlichen Veränderungen, dazukommt, wird er auf den Namen „Anna“ getauft. Er findet sich sofort am unteren Ende einer Hackordnung wieder, zunehmend ist er Mobbing und Angriffen anderer Jungs ausgesetzt. Nur zum Sportleiter Micke, einem im Laufsport sehr erfolgreichen Schüler kurz vor dem Abitur, fasst er allmählich Vertrauen. Im Ferienlager kommt es fast zum Eklat, aber noch einmal kann das Schlimmste verhindert werden. Später im Jahr sehen sich Anders und Micke im Winterlager wieder. Zunehmend wird die existenzielle Not von Anders spürbar, denn er ist nicht nur im Lager ständigen Anfeindungen ausgesetzt. Bei Micke machen sich allmählich das Gefühl von Hilflosigkeit und seinem eigenen Versagen breit. Das Buch endet dramatisch und bestürzend.

Verhandelt werden vor allem zwei Themen, Gruppendynamik unter Jugendlichen und Mobbing. Dem Autor gelingt es gut und berührend, die Dynamik und dramatischen Momente herauszuarbeiten, zum Teil jedoch in sehr drastischer und eindeutiger Sprache. Der Roman hat mich nachhaltig beeindruckt, ich kann ihn nur weiterempfehlen.

Weitere Informationen

Themen: Geschlechtsrollen und Kindheit & Jugend

Genre: Roman

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