In böhmischen Dörfern – Dora Richters Taufeintrag gefunden

Die Zerstörung des Berliner Instituts für Sexualwissenschaft 1933 jährt sich in den nächsten Tagen zum 90. Mal. Dieser Text soll ein kleines Puzzleteil im Andenken daran sein.

Es geht um die genauen Geburtsdaten von Dora Richter, einer Pionierin der trans* Geschichte im Deutschland der 20er und 30er Jahre des vorigen 20. Jahrhunderts.

Anmerkungen vorab

  • Dieser Text ist nicht abgeschlossen, er wird weiter aktualisiert werden, wenn es neue Erkenntnisse und Korrekturen gibt.
  • Im Text wird Doras bei der Geburt zugewiesener Name genannt, das lässt sich bei der Arbeit mit genealogischen Quellen nicht vermeiden.
  • Im Text werden die deutschen Namen von Orten verwendet, da die Region damals deutschsprachig geprägt war. Die tschechischen Ortsnamen sind bei der ersten Erwähnung der Orte zusätzlich angegeben.

Wer war Dora (Dorchen) Richter?

Dora Richter beim Klöppeln, Quelle: Wikipedia

Lili Elbe ist als eine der ersten bekannten trans Frauen, die sich 1930/1931 einer Reihe geschlechtsangleichender Operationen unterzogen, inzwischen recht bekannt. Viel weniger ist über drei trans Zeitgenossinnen von ihr bekannt, die noch etwas eher operiert wurden: Dora Richter, Charlotte Charlaque und Toni Ebel. Alle drei waren im Institut für Sexualwissenschaft angestellt, das 1933 zerstört wurde, und dessen Bestände geplündert, gestohlen und verbrannt wurden und heute nur noch bruchstückhaft erhalten sind. Ebenso erging es den Personen, die dort arbeiteten – über ihren Verbleib verlieren sich die Spuren, oder sie hat es in alle Winde verstreut.

Dank der Arbeit der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft wissen wir heute wieder Einiges, so auch über die drei genannten trans Frauen.

  • Raimund Wolfert veröffentlichte 2021 ein Buch über die in die USA ausgewanderte Schauspielerin und Tänzerin Charlotte Charlaque (1892–1963), in der er ihren Lebensweg und ihr Umfeld so gut wie möglich nachzeichnet (Wolfert 2021).
  • Wiederum Raimund Wolfert, zusammen mit Ezra Paul Afken, kuratierte außerdem eine Ausstellung über die Malerin Toni Ebel (1881–1961), die ebenfalls die NS-Zeit im Exil überstand und nach 1945 bis zu ihrem Tod in der DDR lebte (Website).
  • Die dritte namentlich bekannte trans Angestellte des Instituts war Dora (genannt "Dorchen") Richter, Sie war die erste trans Frau, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation (im modernen Sinn) unterzogen hat, bereits 1922 wurde der erste Eingriff durchgeführt, 1931 dann schließlich weitere (Abraham 1931, S. 224). Auch in der jüngeren transgeschichtlichen Literatur wird sie immer wieder erwähnt (z.B. bei Wolfert 2021 und Herrn 2022). Aber sowohl zu ihrer Geburt als auch zu ihrem Verbleib nach 1933 wissen wir – 90 Jahre später – noch immer kaum etwas!

Unterschiedliche Aussagen zur ihrer Herkunft

Bisher waren keine genauen Geburtsdaten von Dora Richter bekannt, und in unterschiedlichen Quellen gab es abweichende Aussagen dazu. Die älteste und vermutlich zuverlässigste Quelle ist die Dissertation von Werner Holz von 1924, die eine ausführliche Auseinandersetzung mit Doras Fall enthält (Holz 1924, S. 4ff., siehe auch Herrn 2022, S. 184ff.). Dort wurde der 16. April 1892 als Geburtstag angegeben, als Herkunft aber nur das "böhmische Erzgebirge", und dass ihr Vater Musiker gewesen sei.

In einer medizinischen Zeitschrift von 1933 wird dagegen ein sächsisches Dorf erwähnt (Geburtenregelung 1933, S. 83). Durchs Internet geistert außerdem das Jahr 1891 für die Geburt (auch in der Wikipedia), und als Geburtsort wird mitunter Karlsbad (Karlovy Vary) angegeben. Letzteres geht wohl auf eine Aussage von Charlotte Charlaque aus den 50er Jahren zurück, als sie Karlsbad als Heimatort von Dora Richter nennt (Wolfert 2021, S. 76, seine Quelle ist Curtius 1955, S. 27). Noch weiter weicht Meyerowitz in ihrem Buch "How Sex Changed" ab, sie gibt 1882 an und schreibt, dass Dora in eine eine arme Bauernfamilie im östlichen Deutschland geboren worden sei (Meyerowitz 2004, S. 19, Quelle dafür ist vermutlich Najac 1931, S. 183).

Letzlich gab es keine genaue Aussagen, und je häufiger die Artikel sich untereinander zitieren, umso ungenauer wurden die Details.

Suche

Standesamtliche Unterlagen gab es um 1892 in Böhmen noch nicht, also sind die Kirchenbücher die vermutlich beste Recherchequelle. Suchen bei Ancestry und FamilySearch führten zunächst nicht zum Erfolg. Was ist mit den regionalen Kirchenbüchern?

Über die Recherche in Kirchenbüchern

Eine Recherche in Kirchenbüchern kann recht mühsam sein, wenn der genaue Ort nicht bekannt ist. Die physischen Tauf-, Trau- und Sterbebücher sind/waren über zahllose kleine und kleinste Gemeinden verstreut und oft nicht zugänglich. Zudem sind die ehemals deutschsprachigen Gebiete in Böhmen durch Flucht und Umsiedlung völlig verändert oder heute entvölkert.

Wurden die Bücher auf Mikrofiche verfilmt und/oder digitalisiert, sind sie als handschriftliche Quellen zudem schwer zu indizieren. Und für das menschliche Auge sind die Handschriften mitunter nicht einfach zu entziffern, so mancher Pfarrer hatte keine besonders leserliche Schrift.

Immerhin gibt es meistens einen Namensindex, so dass es nicht erforderlich ist, auch noch die Einträge einzeln durchzugehen.

Für den westböhmischen Bereich sind dank eines bayerisch-tschechischen Kooperationsprojekts mittlerweile die Kirchenbücher digitalisiert (Archivprojekt Porta fontium). Das erleichtert eine Suche in der Fläche enorm, ohne vor Ort reisen zu müssen und Kirchenbücher händisch auswerten zu müssen (was zweifellos reizvoll ist, aber recht zeitaufwändig).

Indizien für die Suche

Basierend vor allem auf den Aussagen aus Holz' Dissertationen und einiger weniger weiterer Quellen ließen sich folgende Anhaltspunkte für die Suche ermitteln:

  • Geburtsname: Rudolf oder Rudolph Richter
  • Geburtstag: 16. April 1892, möglicherweise auch 1891
  • Geburtsort: ein Dorf in den Bergen, vermutlich im böhmischen Erzgebirge, also dem schmalen Streifen des Erzgebirges auf der tschechischen Seite, möglicherweise auch in Karlsbad oder der dortigen Region – wobei Karlsbad selbst nicht mehr im Erzgebirge liegt
  • Religion: katholisch (was Böhmen gegenüber Sachsen viel wahrscheinlicher macht)
  • Beruf des Vaters: Musiker (was bei der direkten Suche nicht hilft, aber bei der Plausibilitätsprüfung eines möglichen Taufeintrags)

Taufeintrag gefunden!

Die Recherche in den Kirchenbüchern in den Bergregionen nördlich von Karlsbad führte nach einiger Zeit tatsächlich zum Erfolg!

Am 16. April 1892 wurde im kleinen Ort Seifen (heute Ryžovna, in den Kammlagen des Erzgebirges auf der böhmischen Seite auf ca. 1.000 m Höhe) ein Rudolf Richter geboren und am 17. April katholisch getauft, und der Vater war Musiker. Später wurde eine Notiz über die Änderung des Vornamens ergänzt und der Name im Taufeintrag berichtigt (Link)! Zusätzlich enthält das Taufbuch noch ein Schreiben über die Erlaubnis zum Namenswechsel inkl. der Anweisung, den Namen zu berichtigen (Link).

Taufeintrag
Taufeintrag

Nachfolgend Transkriptionen und Übertragungen der Einträge.

Eintrag im Taufbuch

Taufeintrag, linke Seite

Taufeintrag, rechte Seite

Zunächst der ursprüngliche Taufeintrag auf Seite 109 (in sinngemäßer Übertragung):

  • Am 16. April 1892 wird "Rudolf (Josef)" in Seifen Nr. 12 geboren, und am 17. April in der dortigen Kirche katholisch getauft.
  • Als "ungeprüfte" Hebamme wird Anna Kraus genannt, sie wohnt in Seifen Nr. 34.
  • Der Vater ist Josef Richter, Musiker in Seifen Nr. 12, in Seifen geboren, ehelicher Sohn des Florian Richter, Hauswirt in Seifen Nr. 12 und der 1892 bereits verstorbenen Elisabeth, geborene Kolitsch, aus Seifen Nr. 5.
  • Die Mutter ist Antonia, geb. Kraus, geboren in Seifen Nr. 56, eheliche Tochter des 1892 bereits verstorbenen Josef Kraus, Hauswirt in Seifen Nr. 56, und der Antonia, geb. Richter, aus Seifen Nr. 11.
  • Die Taufpaten sind Josef Kühne(?), k. k. Oberaufseher in Kirchlig(?) bei Geslitz (Graslitz ?) und Anna Kraus, ledige Tochter des 1892 bereits verstorbenen Josef Kraus, Hauswirt in Seifen Nr. 45, beide katholisch.
  • Außerdem gibt es am Rand noch eine Notiz über die Taufeinträge und die Trauung der Eltern, mit anderer Handschrift. Diese Daten hier direkt zu erwähnen ist eher ungewöhnlich, vielleicht passierte das, als die Notiz zum Namenswechsel ergänzt wurde. Danach wurde der Vater am 9. Juli 1862 geboren, die Mutter am 14. April 1867, und die Trauung fand am 29. April 1890 statt.

Rudolf ist das zweite Kind der Eltern, ca. 2 Jahre nach der Hochzeit, die Mutter war bei der Geburt 25 Jahre alt, der Vater 29. Die Schwester der Mutter war offenbar Hebamme und zugleich Patin.

Alle Beteiligten (bis auf einen Taufpaten) wohnten nah beieinander und waren bereits in Seifen geboren.

Namenswechsel im Taufbuch

Spannend ist nun die eingeklebte Notiz, gestempelt vom Katholischen Pfarramt Seifen.

Namenswechsel

Danach wurde im am 28. Januar 1946 das Taufbuch korrigiert, hier der Text:

Vermerk zum Geburtseintrag im Geburtenbuch Seifen III/109/3
Betrifft: Aenderung in Spalte a/Name des Täuflings; b/Geschlecht.

Wegen angeborener Intersexualität – festgestellt vom Institut für Sexualwissenschaft Berlin NW 40, den 14.4.1924 – erhielt Rudolf Richter, geb. am 16.4.1892, vom Landespräsidenten in Prag die Erlaubnis zur Aenderung des Vornamens, sodass genannte Person nun den Namen / Dora, Rudolfine Richter / čechisch: Dora, Rudolfa Richterová / führt. Gleichzeitig wurde der Vermerk dieser Aenderung in der Geburtsmatrik von der Landesverwaltung Prag angeordnet.

Pfarramt Seifen, den 28. Jänner 1946

Außerdem wurde der Taufeintrag korrigiert, Der Name "Rudolf (Josef)" wurde durchgestrichen, stattdessen wurde "Dora Rudolfine" ergänzt. Zudem wurde der Eintrag in der Spalte für das Geschlecht von "männlich" auf "weiblich" geändert.

Der Eintrag wirft gleich mehrere Fragen auf:

  • Der Namenswechsel wurde 1934 genehmigt, warum wurde er erst 1946 eingetragen? Im Januar 1946 begann zugleich die offizielle Abschiebung der Deutschen aus der Tschechoslowakei, also ziemlich genau, als die Notiz geschrieben wurde. Möglicherweise passierte das in einem so abgelegenen Ort wie Seifen auch erst später. Der Text ist jedenfalls noch in Deutsch verfasst, von dem vermutlich deutschsprachigen Pfarrer.
  • Dora erhielt 1934 eine Genehmigung zum Namenswechsel aus Prag (Hauptstadt der Tschechoslowakei), nicht etwa aus Deutschland. Das kann den einfachen Grund haben, dass sie auf tschechischem Gebiet geboren wurde und sich daher nach Prag wenden musste, und nicht nach Berlin.
  • Als Grund für den Namenswechsel wird "Intersexualität" angegeben, obwohl Dora eindeutig trans war. Das Gutachten(?) dazu wurde 1924 im Berliner Institut für Sexualwissenschaft angefertigt, was zeitlich recht gut zur Dissertation von Werner Holz passt, der sich ausführlich mit ihr beschäftigt hat. Ob bewusst Intergeschlechtlichkeit verwendet wurde, um die Namensänderung zu ermöglichen (Namensänderungen bei intergeschlechtlichen Personen waren kein unübliches Vorgehen), ob der Bezirkspräsident(?) keine bewusste Unterscheidung zwischen Intergeschlechtlichkeit und Trans* machte, oder ob es andere Gründe gibt, ist im Moment nicht zu ermitteln.
  • Obwohl sich die Anweisung nur auf die Änderung des Namens bezieht, hat der Pfarrer neben dem Namen auch den Geschlechtseintrag berichtigt.

Genehmigung aus Prag

Am Ende des Taufbuchs, wo verschiedene lose Schreiben und Dokumente versammelt sind, befindet sich zusätzlich noch ein Schreiben über die Namensänderung. Vermutlich wurde dieses Schreiben an das Pfarramt geschickt, und der Taufeintrag wurde daraufhin korrigiert.

Genehmigung aus Prag

Der Text liegt in tschechischer Sprache vor, hier zunächst eine sinngemäße Übertragung ins Deutsche auf Basis einer maschinellen Übersetzung. Eine "richtige" Übersetzung folgt noch.

  • Das Schreiben stammt vom 23. April 1934 aus Prag.
  • Dora lebt zu dem Zeitpunkt offenbar noch in Berlin, in der Motzstraße 76, und arbeitet als Blumenverkäuferin.
  • Am 26. Februar war ein Antrag(?) auf Namensänderung in Prag angekommen, der am 20. April des gleichen Jahres genehmigt wurde.
  • Statt des bisherigen Namens "Rudolf Richter" kann Dora sich jetzt offiziell "Dora Rudolfa Richterová" nennen (es ist nur der tschechische Namen aufgeführt).
  • Das Schreiben fordert das Pfarramt auf, den Taufeintrag zu korrigieren.
  • Die Abschrift stammt aus dem Januar 1946, also kurz nach Kriegsende, vielleicht wurde sie doch erst dann an das Pfarramt geschickt.

Doras Familie

Neben dem Eintrag zu Dora selbst ist interessant, was sich sonst noch in den Seifener Kirchenbücher zu Doras Familie finden lässt (Link):

  • Die Vorfahren:
    • Ihr Vater war Josef Richter, * 9. Juli 1862, † 22. September 1931, Sohn von Florian Richter und Elisabeth geb. Kolitsch.
      • Florian Richter wiederum ist der Sohn von Johann Richter und Josefa Lenhart.
      • Und Elisabeth Richter geb. Kolitsch ist die Tochter von Ignaz Kolitsch und Elisabeth Brennig.
    • Ihre Mutter war Antonia geb. Kraus, * 14. April 1867, † 15. Dezember 1938, Tochter von Josef Kraus und Antonia geb. Richter.
      • Josef Kraus wiederum ist der Sohn von Herbert Kraus und Anna Günther.
      • Antonia Kraus geb. Richter ist die Tochter von Franz Richter und Hedwig Wöllner.
    • Die Eltern heirateten am 29. April 1890.
    • Die Geschwister:
      • Dora war das zweitälteste Kind, es gab 7 Geschwister (die Aussagen weichen etwas von den Angaben bei Holz ab)
      • Am 16. August 1890 wurde Josef Florian geboren, später verheiratet mit Julia Sandig. Das Paar bekommt am 1920 einen Sohn Rudolf Josef, der nur 11 Jahre alt wird, 1926 einen zweiten Sohn Gerhard, der nur ein Jahr alt wird.
      • Am 29. August 1894 wurde Francisca Rosa geboren, später verheiratet mit Albert Kraus. Das Paar bekommt 1931 einen Sohn, der aber nur wenige Wochen alt wird.
      • Am 13. Dezember 1896 wurde Florian geboren.
      • Am 3. Juni 1899 wurde Hermann Emil geboren.
      • Am 2. September 1901 wurde Ida Stefanie geboren, die 1923 ein uneheliches Kind gebar, das nur wenige Wochen alt wurde.
      • Im Juli 1905 wurden Zwillinge geboren, am 15. Juli Anna, die aber bereits im September wieder starb, und am 17. Juli Albert, der aber nur eine Woche lebte (unterschiedliche Geburtsdaten laut Kirchenbuch).

Die Aussage von Holz zur Verwandtschaftsehe, dass Doras Eltern Vetter und Base gewesen seien, konnte noch nicht bestätigt werden, vielleicht gibt es eine Verbindung in einer früheren Generation.

Zuordnung Geschwister Holz vs. Kirchenbuch

Wenn man die gefundenen Daten mit den Angaben bei Holz vergleicht, ergeben sich einige Abweichungen. Einige Angaben wirken so, als wären sie bereits einige Jahre vorher und nicht erst 1924 erhoben worden. Insgesamt erscheint die Zuordnung jedoch plausibel.

Person lt. Holz Geburt lt. Holz vermutliche Person lt. KB Kinder lt. KB Anmerkungen
Bruder, 30 Jahre, gesund, verheiratet, 2 gesunde Kinder ca. 1894 Josef Florian * 1890, ⚭ Julia Sandig Rudolf Josef (unehelich) 1920–1931, Gerhard 1926–1927 4 Jahre Abweichung, ein Kind noch nicht gefunden, Trauung noch nicht gefunden
Bruder, 26 Jahre, gesund, verheiratet, 1 gesundes Kinder ca. 1898 Florian, * 1896 2 Jahre Abweichung, Trauung und Kind noch nicht gefunden
Bruder, 20 Jahre, gesund, unverheiratet ca. 1904 Hermann Emil * 1899 5 Jahre Abweichung
Schwester, 29 Jahre, gesund, unverheiratet, hatte 1 Kind, das nach 6 Wochen starb ca. 1895 Francisca Rosa * 1894, ⚭ 1922 Albert Kraus Rudolf, 1931–1931 Trauung fehlt bei Holz, muss vor der Ehe noch ein Kind bekommen haben
Schwester, 24 Jahre, gesund, unverheiratet, hatte 1 Kind, das nach 3 Wochen starb ca. 1900 Ida Stefanie, * 1901 Anna Ida, 1923–1923
nicht erwähnt Anna und Albert, 1905–1905

Fazit

Mit den hier vorliegenden Daten sind nun das genaue Geburtsdatum und vor allem der Geburtsort von Dora Richter bekannt, außerdem haben wir eine Adresse von 1934 und eine offizielle Namensänderung aus dem gleichen Jahr.

Von hier aus kann weitere Recherche ansetzen.

Doras Verbleib nach 1933

Über den weiteren Verbleib von Dora Richter ist weiterhin nichts bekannt. Nach dem heutigen Stand haben wir eine letzte Spur mit der Namensänderung von 1934, für danach existieren weiterhin keine Quellen. Es gibt lediglich eine Aussage von Charlotte Charlaque, dass Dora nach Karlsbad gegangen sei und dort ein Restaurant eröffnet habe (Wolfert 2021, S. 76).

In den Kirchenbüchern und Standesamtsregistern für Seifen und Umgebung sowie Karlsbad, die bis ca. 1945 online recherchierbar sind, ist bisher keinen Eintrag für Doras Tod aufgetaucht. Ob sie in der Region Karlsbad blieb, die Region vielleicht nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei verließ und ob sie die NS-Zeit überlebte, wissen wir bisher nicht.

Auch der Verbleib ihrer Familie – sofern diese noch Kontakt zu ihr hatte – ist unbekannt. Doras Vater starb 1931, ihre Mutter 1938, für die Geschwister (s.o.) und ihre Nachkommen müsste recherchiert werden.

Doras Heimatort Seifen, tschechisch Ryžovna, war bis zum 2. Weltkrieg mehrheitlich deutsch besiedelt, nach dem Krieg verlor der Ort aber fast die gesamte Bevölkerung. Mittlerweile stehen nur noch wenige Häuser, seit 1970 gibt keine registrierten Einwohner mehr (Wikipedia).

Weitere Forschung möglich

Basierend auf den neu gefundenen Quellen sind nun weitere Recherchen möglich:

  • Es gibt die Genehmigung für die Namensänderung von 1934 in Prag. Dazu gibt es vermutlich eine Akte, die möglicherweise sogar das Gutachten von 1924 enthält.
  • Als Adresse für 1934 gibt es die Motzstraße 76 in Berlin, in den Berliner Adressbüchern der Zeit findet sich aber kein Eintrag für sie unter dieser Adresse.
  • Es gibt Daten der Geschwister, mit denen man zum Verbleib der Familie recherchieren kann, möglicherweise ist Dora später mit jemanden aus der Familie mitgegangen (so wie etwa Lili Elbe Kontakt zu Geschwistern behielt).

Danksagung

Vielen Dank an Ralf Dose, Rainer Herrn und Raimund Wolfert für wertvolle Hinweise für die Recherche und für Quellen!

Quellen

  • Abraham, Felix. 1931. „Genitalumwandlung an zwei männlichen Transvestiten.“ Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Nr. 18: 223–226.
  • Curtius, Carlotta, Baronin von [pseud. Charlotte Charlaque]. „Reflections on the Christine Jorgenson Case.“ ONE, Nr. March (1955): 27–28.
  • Herrn, Rainer. Der Liebe und dem Leid. Das Institut für Sexualwissenschaft 1919-1933. Berlin: Suhrkamp, 2022.
  • Holz, Werner. „Kasuistischer Beitrag zum sogenannten Transvestitismus (erotischen Verkleidungstrieb) mit besonderer Berücksichtigung der Aetiologie dieser Erscheinung.“ Dissertation, Friedrich-Wilhelm-Universität, 1924.
  • Meyerowitz, Joanne. How Sex Changed. A History of Transsexuality in the United States. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2004.
  • Najac, Pierre. 1931. „L’Institut de la Science Sexuelle à Berlin.“ In Vénus et Mercure., von Janine Merlet, 165–192. Paris: Editions de la Vie Moderne.
  • o.A. „Operative Umwandlung von Männern in Frauen gelungen. Die Erfahrungen aus drei Berliner Fällen.“ 1933. Die Geburtenregelung, Nr. 4: 83.
  • Wolfert, Raimund. Charlotte Charlaque. Transfrau, Laienschauspielerin, »Königin der Brooklyn Heights Promenade«. Berlin: Hentrich & Hentrich, 2021.

Links