Geschwister Täugner, Magdeburg
Wann erwähnt: 1911
Namen(n): M: Ludwig und Gerhart / W: Luise und Gertrud
Lebensdaten: 1895/96 geboren
Beruf:
Ort(e): Magdeburg, Berlin
Fallbeschreibung
Originaltext Salzburger Volksblatt
Aus dem Gerichtssaale.
Berlin. 17. November. (Zwei Mädchen durch Gerichtsbeschluß als Knaben erkannt.) Ein nicht alltäglicher Fall beschäftigte das Amtsgericht Berlin, nämlich ein Antrag auf Geschlechtsumwandlung zweier Schwestern zu Brudern. Die Angelegenheit hat folgende Vorgeschichte: Die zwei Kinder eines Kaufmannes in Magdeburg, die 16 Jahre alte Luise und die 15 Jahre alte Gertrud Täugner, fühlten sich seit längerer Zeit in ihrer weiblichen Kleidung sehr unbehaglich und hatten das Empfinden, daß ihre Erziehung ihrem wahren Wesen nicht entspreche. Als sie ihren Eltern ihre Leiden klagten, wurden sie anfangs verlacht und in der Folge hatten die Kinder ein wahres Martyrium durch zumachen, bis sie den Entschluß faßten, ihr Leben von sich zu werfen. In letzter Stunde erfuhren die Eltern davon und wandten sich nun an die Spezialärzte, um sich durch ein Gutachten Licht über den wahren Zustand ihrer Kinder zu verschaffen. Die Aerzte gaben ihr Gutachten dahin ab, daß hier eine irrtümliche Geschlechtsbestimmung vorliege und befürworteten dringend ein sofortiges Einschreiten. Nunmehr wandten sich die Eltern an einen Rechtsanwalt und dieser stellte beim Regierungspräsidenten den Antrag, die Umwandlung der Namen der Kinder im Geburtsregister vorzunehmen. Der Regierungspräsident gab den Antrag an das Amtsgericht weiter. Auf dessen Anordnung ist jetzt im Geburtsregister vermerkt worden, daß Luise Täugner von jetzt ab Ludwig Täugner und Gertrud Täugner Gerhart Täugner heiße.
Quellen
- 19.11.1911, Salzburger Volksblatt, Nr. 264, S. 11
- 21.11.1911, Grazer Tagblatt, Nr. 328, S. 7