106/366: Paul J. Gillette: Abartiges Sexualverhalten, 1967, R. E. L. Masters: Abnorme Triebhaftigkeit, 1969
Es waren einmal 2 ältere populärwissenschaftliche Bücher von 1966 in meiner Sammlung, die mehr oder weniger ausführlich Trans* thematisieren (eines auf ca. 100, eines auf ca. 10 Seiten), aber eher weniger sympathisch. Die Titel sind »Abartiges Sexualverhalten« von Paul J. Gillette und »Abnorme Triebhaftigkeit« von R. E. L. Masters. Kommen euch die Titel auch so richtig unsympathisch vor?
»Populärwissenschaftlich« sind die Bücher offenbar in dem Sinn, dass man die Pathologisierungen der Wissenschaft, die Vorurteile der Gesellschaft und den Voyeurismus des allgemeinen Publikums verwob.
Und dann entdeckte ich, dass das eine ganze Serie dieser Werke ist (siehe 2. Foto), zu einem ganzen Reigen von sexuellen Themen. Inwieweit sie der Aufklärung dienten und inwieweit eher dem Voyeurismus, vermag ich nicht zu beurteilen. Betrachten wir sie wohlwollend als Dokumente ihrer Zeit.
107/366: Gunter Schmidt, Volkmar Sigusch, Eberhard Schorsch (Hrsg.): Tendenzen der Sexualforschung, 1970
Hier warten jetzt ein paar unerquickliche ältere Bücher aus der Sexualwissenschaft, und ich möchte meiner Chronistinnenpflicht nachkommen und sie vorstellen. Heute ein Buch von 1970, es heißt »Tendenzen der Sexualforschung« und enthält auch mehrere Aufsätze zu Trans, außerdem sind viele der Autoren im trans Kontext bekannt bzw. wurden es später. Eine besonders unrühmliche Rolle sollte John Money noch bei der Behandlung von inter* Personen spielen (der »Fall« David Reimer, kommt hier noch dran).
108/366: Alfred Springer: Pathologie der geschlechtlichen Identität, 1981
Beim heutigen Buch findet sich die Pathologisierung schon im Titel. »Pathologie der geschlechtlichen Identität« von Alfred Springer, einem österreichischen Psychoanalytiker, erschien 1981. Homosexualität und Trans werden munter in einen Topf geworfen, ersteres aber nur am Rand explizit thematisiert. Das Buch ist meines Wissens die erste deutschsprachige Monographie zu Trans seit Hirschfeld, erschien also ca. 70(!) Jahre später. Schwerpunkt sind psychotherapeutische Überlegungen. Welche Relevanz das Buch dadurch in der Wissenschaft spielte, weiß ich nicht, kann mir aber vorstellen, dass es eine große Lücke füllte und die pathologische Sicht auf Trans verfestigte. Springer hält beharrlich daran fest, trans Personen psychotherapeutisch zu behandeln, hormonelle und chirurgische Maßnahmen (etc.) hält er nicht für sinnvoll. Ächz. Im Erscheinungsjahr des Buches trat übrigens in Deutschland das TSG in Kraft, dass für die Änderung des Personenstands eine Operation forderte, in Österreich war die Rechtslage ab 1983 ähnlich. Erstaunlich, wie weit entfernt davon Springers Position war.
109/366: Martin Wollschläger: Fetischismus, Transvestismus, Transsexualität, Homosexualität, 1983
Es wird nicht besser. 1983 erschien die Dissertation von Martin Wollschläger mit dem Titel »Fetischismus, Transvestismus, Transsexualität, Homosexualität«. Die Zusammenstellung der 4 Begriffe lässt schon ahnen, unter welchem Gesichtspunkt Trans* hier betrachtet wird, nämlich als »sexuelle Perversion«. Ich habe keine Lust, mich diesem Unsinn weiter zu widmen.
110/366: Karin Désirat: Die transsexuelle Frau, 1985
So, da müsst ihr heute nochmal durch. Ich habe noch so ein Prachtstück aus den 80ern, nämlich »Die transsexuelle Frau« von Karin Désirat, erschienen 1985. So lobenswert der Ansatz der Autorin ist, Trans in der bis dato in der Wissenschaft kaum sichtbaren Richtung Frau-zu-Mann zu betrachten … der Buchtitel disqualifiziert augenblicklich. Wie kann Désirat denn den Wesenskern von trans Menschen so komplett ignorieren? Und zu allem Überfluss ist sie in ihrem Fazit operativen Maßnahmen gegenüber skeptisch. Stattdessen sucht sie die Gründe bei den Eltern, schwierigen Familienkonstellationen und mangelnden Identifizierungsmöglichkeiten.
Die Musik der 80er war toll, aber für trans* Menschen sah es ziemlich düster aus.