90er Jahre: Historische Romane
193/366: Donna W. Cross: Die Päpstin, 1996
193/366 · In den 90er Jahren erschienen die ersten historischen Romane, die in irgendeiner Weise mit Trans* zu tun haben, meistens in Form eines Rollentauschs. (Zumindest habe ich bislang keine früher erschienenen entdeckt.) Die Legende um die Päpstin Johanna, die sich als Mann ausgab, wurde literarisch häufig verarbeitet. So auch im Roman »Die Päpstin« von Donna W. Cross von 1996. Der Stoff spielt im 9. Jahrhundert im Frankenreich.
194/366: Gary Jennings: Der Greif, 1995
Im Original von 1992 (bzw. die deutschsprachige Taschenbuchausgabe von 1995) stammt »Der Greif« von Gary Jennings. Im Europa des 6. Jahrhunderts ist der Gote Thorn, ein Hermaphrodit, unterwegs, sagt der Klappentext. Was sich dahinter verbirgt, kann ich nicht sagen, aber vielleicht hat jemand von euch die 800 Seiten gelesen und weiß mehr 😉
195/366: (Michael Stein): Die vertauschten Geschwister, 1994
Aus einer völlig anderen Ecke kommt der nächste Roman, »Die vertauschten Geschwister« erschien 1994, übertragen von Michael Stein. Er spielt im Japan des 12. Jahrhunderts, wo der Romanstoff ursprünglich bereits entstand. Der Name verrät bereits, worum es geht.
Vermischtes
196/366: Inea Gukema-Augstein: Der intime Blick, 2008
Über einen Text im Nollendorfblog stieß ich auf einen Artikel über Sabine Maria Augstein, die unschätzbar viel für die trans* Community in Deutschland geleistet hat (siehe https://www.welt.de/print-welt/article711929/Vom-Mann-zur-Frau-Maria-Sabine-Augstein.html und https://twitter.com/lilielbe/status/1396752804694405128).
Passend dazu möchte ich mit einem Bildband die Buchreihe #366transbuecher mit Nr. 196/366 fortsetzen. „Der intime Blick“ ihrer Partnerin Inea Gukema-Augstein ist der Begleitband zu einer Fotoausstellung über Sabine Maria Augstein von 2008. Neben 20 s/w-Fotografien enthält das Buch auch 2 Texte über Maria Sabine Augstein und über Trans* – beide wirken sprachlich schon ziemlich aus der Zeit gefallen, obwohl keine 15 Jahre alt.
197/366: Gilbert Oakley: Man into Woman, 1964
Den Weg über den Ärmelkanal hat jüngst dieses interessante alte Buch zu mir gefunden. Es heißt (wie auch Lili Elbes Buch aus den 30ern) »Man into Woman« (mit einem langen Untertitel, siehe Cover) und stammt von Gilbert Oakley, einem damals in Großbritannien wohl populären Ratgeberautor. Es ist wohl eine Mischung aus Sachbuch, fiktionaler Biographie und Ratgeber für und über trans* Personen – von 1964! Wenn ich es richtig verstehe, sind die Texte darin aus vielen Einzelfällen zusammengefasst. Und natürlich ist es voll mit den Klischees und Pathologisierungen der Zeit, aber grundsätzlich trans-positiv, würde ich sagen. Mehr habe ich noch nicht im Buch herumgelesen, da es leider ziemlich muffig riecht 😞
198/366: Kate Bornstein: Hello, Cruel World, 2006
Selbsthilfe für Menschen, die sich in der Gesellschaft nicht zu Hause fühlen, bietet Kate Bornstein im Büchlein »Hello, Cruel World. 101 Alternatives to Suicide for Teens, Freaks, and Other Outlaws.« von 2006 an. Nach dem furchtbaren Suizid einer trans Frau in Berlin vor einigen Tagen vielleicht eine Empfehlung, wenn es dir nicht gut geht. Kate Bornstein ist eine non-binary Künstlerin und Aktivistin, they gehört zu den seit vielen Jahren profiliertesten und sichtbaren Vorkämpferinnen für »unsereins«.
199/366: Ralph Pettow: Der krankhafte Verkleidungstrieb, 1922
Als 199. Buch möchte ich euch das 99 Jahre alte Werk »Der krankhafte Verkleidungstrieb. Beiträge zur Erforschung der Transvestie.« von Ralph Pettow vorstellen. Das Werk von 1922 stand schon einige Jahre auf meiner Suchliste, nun konnte ich endlich ein Exemplar finden. Mit gerade mal 77 Seiten ist es ein schmaler Band, aber etwas Besonderes: Nach Hirschfelds Pionierwerk »Die Transvestiten« ist dies das wohl einzige Buch in den 20er Jahren, das sich explizit Trans widmet (daneben gab es noch einen Aufsatz von Lothar Goldmann von 1925, der in einem Sammelband erschien, wohl aber auch als eigenständiger Druck), damit wohl die 2. Monographie zu Trans überhaupt (zumindest auf Deutsch).
Pettows Definition von Trans* am Anfang des Buches ist im Gegensatz zum Titel nicht mal pathologisierend: »Als Transvestie ist zu definieren das auf Grund eines psychologischen Zwangs erfolgende perpetuelle oder temporär-periodische Ablegen der dem Geschlecht oder der Altersstufe nach allgemeinem Brauch zukommenden und Anlegen einer diesen Voraussetzungen nicht entsprechenden Kleidung. […] Vor allem ist daran festzuhalten, daß von echter Transvestie nur dann die Rede sein kann, wenn sie auf Grund eines unwiderstehlichen, inneren Triebes auftritt und somit das in ihrer Macht befindliche Subjekt zur Vornahme der sonderbaren Kleidungsänderung psychisch zwingt, und zwar mit dem Effekt, daß der psychischen die physische Umwandlung entspricht. Das heißt, daß das betreffende Individuum sich nicht nur äußerlich, sondern ebenso seelisch mit jeder Faser verwandelt fühlt. Dies letztere ist der springende Punkt […]«
Die Sprache ist der Zeit entsprechend umständlich, und der Wechsel wird nur an der Kleidung festgemacht (mit körperliche Anpassungen fing man da erst in sehr experimentellen Maß an), aber ansonsten ist die Beschreibung doch sehr zutreffend.
Aufgrund des fragilen Zustands des Buches habe ich noch nicht viel darin gelesen, bin aber auf die Lektüre gespannt.